Laß' uns Freunde bleiben _ von Liebe und Spezi
Das Leben zurück ? Gleich und bald, denn ein Ende der Warteschleife ist endlich in Sicht.
Der dritte Monat ist knapp vorbei und wir sind immer noch nicht gefahren, aber guter Dinge, daß es im August nun endlich losgeht.
Die letzten Wochen wußte ich nicht so recht, ob ich nicht doch langsam anfange zu hadern oder ob ich einfach weiter in meiner Mitte sitzen bleibe, um mein ˋOhm´-chen´ zu machen. Es fällt mir zunehmend schwerer, da das Jahr nun immer älter und das Zeitfenster für die Reise mit dem Robur enger wird, mir die Zeit wie Sand durch die Finger rinnt.
Urlaubsgrüße von Freunden, die ihren Jahresurlaub in Kroatien, Albanien oder Griechenland verbringen, lassen mich daran denken, daß man ebensolche auch gern bereits aus Ländern entlang der Reiseroute gesandt hätte. Bei einem Glas guten Weines in Moldawien zu sitzen und die weitere Route entlang der Schwarzmeerküste zu planen ist schon etwas anderes, als hier in Dresden seine Arzttermine zu challengen und ins Ungewisse zu schauen.
Die endlos heißen Tage wechseln sich mit Tagen voll Regen und Gewitter ab, die Schwalben fliegen tief und begeistern Heinz’chen, der ihnen mit großen Augen und einem begeisterten Mauzen blinzelnd und sehnsüchtig hinterher blickt. Mit großen Hopsern durch das hohe Gras versucht er, Käfer, Schmetterlinge und Kleintiere zu fangen, wundert sich über die Ameisen, in dessen Haufen er sitzt und schüttelt sie einfach vom Pfötchen.
Der Rummel ist wieder auf dem Gelände an der Marienbrücke aufgebaut und zieht bis Ende August 2021 Jung und Alt an.
Regelmäßig zum Sonnenaufgang steigen zischend, fröhlich bunt Heißluftballons in den Himmel und verschönen die Elbaue wie die Täler in Kappadokien. Staunend freue ich mich mit einer Tasse dampfendem Kaffees darüber und grüße in die Himmelsweite.
Die ersten Dankeskarten für anteilnehmende, nimmermüde Unterstützung oder das ‚ Einfach da sein’ sind verschickt und bei engen Freunden und der Familie angekommen.
Durch das Aufheben immer mehr Corona-Verordnungen haben wir ebenfalls nun Zeit, all das lang fehlende Kulturprogramm unmittelbar nachzuholen: Restaurantbesuche mit Freunden, Biergartentreffs, Grillabende, Flohmarkt-, Konzert- , Kino- und Theaterbesuche sowie Tanzveranstaltungen – alles ist wieder möglich und auch nötig !
Wann war man bitte das letzte Mal in Gesellschaft so richtig glücklich, ausgelassen, übermütig oder gar betrunken ? Ist nach Nacht und Nebel im Sonnenaufgang wieder nach Hause gefahren ? Wann hat man das letzte Mal einfach so und aus dem Bauch heraus, Fremde vor Freude und Sympathie umarmt ? Wann Familien, Paare, Freundeskreise entspannt an der Elbe, durch die Parks und Straßen schlendern sehen ? Wann den jungen Menschen zugehört, die Spezi trinkend sich auf eine Freundschaft vertrösten, um all die Monate des Lock-downs nun nachzuholen ? Wann Schlangen vor der Eisdiele, dem Pommes-Stand oder einfach im Biergarten geduldig lächelnd hingenommen ? Wann volle Spielplätze mit Kindern, die ausgelassen toben und sich endlich auch wieder um die Reihenfolge an Wippe, Rutsche oder Schaukel und das Spielzeug streiten ? Wann gab es zuletzt soviel Lärm an Stimmenwirrwarr, Musikauswahl, so viele unterschiedliche Grillgerüche und auch soviel Müll an der Elbe ? – gefühlt mindestens einhundert Jahre her !
Die intervallmäßig neu ankommenden Vanlifer, Kurzzeitcamper oder Immerwiederkehrenden laden in der Zwischenzeit des Wartens zu horizonterweiternden und inspirierenden Gesprächen ein. Lauter wundervolle Menschen mit unterschiedlichsten Lebensentwürfen, Vergangenheiten und Visionen für die Zukunft – auch ihrer Kinder. Man wundert sich über Campingbusse mit marokkanischem Kennzeichen und erfährt, dass die Fahrer normalerweise ihren Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in Marokko haben, aber aufgrund von Corona das Land verlassen mussten – nun hier bei Familie und Kindern bis zur Impfung überbrücken. Man trifft Familien, die sich schon vor Jahren vom System verabschiedet haben und weder sich noch den Kindern Verfügbarkeit und Entmündigung aussetzen und antun wollten. Die sich nach Einschulung der Kinder und diversen zeitgleich auftretenden Herausforderungen entschlossen, alles aufzugeben und in den Bus zu ziehen. Die Kinder selbst zu beschulen, sich über Freilerner Plattformen und Netzwerke auszutauschen – aufs Ganze zu gehen. Parallelwelten, die sich offenbaren und durchaus nicht nur latent und klandestin vorhanden sind , sondern in manchen Landstrichen auch wohlwollend behördlich geduldet und unterstützt werden. Damit meine ich nicht nur den prädestinierten süddeutschen Raum, sondern auch immer mehr Landstriche hier im Osten, wo Landflucht und Bevölkerungsaustausch als Gamechanger fungieren und sich mittlerweile Strukturen etablieren, die Anziehungskraft auf sehr viele z.T. mehr als kritische Menschen – gleich welcher politischen Haltung – ausüben.
Es kommen Rentner in wagemutig aussehenden Wohnmobilen an, erzählen – vor meinem Robur stehend – von ihrer Kindheit und Jugend in der DDR und den kleinen Träumen, die man damals ganz bescheiden hatte. Sie werden wieder jung, wenn sie von der Verwirklichung dieser nach Mauerfall und politischer Wende sprechen – erinnern sich mit blinkenden Augen und voller mitreisender Begeisterung an die ersten Zelturlaube in Italien und Frankreich, an den Kauf und Ausbau des ersten Busses, an all die folgenden Reisen mit den erwachsen werdenden Kindern und die später folgenden ohne diese. Geben gute Ratschläge, gereifte Weisheiten sowie Liebe mit auf den Weg und lassen sich von den nun Jüngeren interessiert Reiseerlebnisse erzählen. Man trifft in die alte Heimat Zurückkehrende, Flüchtlinge und Ausgetauschte, die nun nach arbeitsreichen Jahren zu den Wurzeln finden und den Lebensabend ‚zu Hause‘ verbringen möchten. Es landen Menschen an, die ‚im Westen‘ arbeiten und von Zeit zu Zeit, wenn die Sehnsucht sie nicht mehr schlafen lässt, die Nacht durchfahren, um den Sonnenaufgang im Osten zu erleben, kurz durchzuatmen und sich ihrer Selbst zu vergewissern.
All diese Begegnungen lassen erahnen, wie komplex das Leben für jeden Einzelnen ist, wie wenig wir einander zuhörend und mitfühlend begegnen.
Mittlerweile sind wir ein paar Meter weiter zu Freunden ins Randgebiet von Dresden gezogen, ins Land der tiefroten Backsteinbauten und der wunderschön bemusterten Industrieschornsteine, des brachliegenden Volkseigentums, der preiswerten Proberäume und leeren Skateranlagen, der Maulbeerbäume und der Bahngleis-Biotope. Blicken wir nach rechts, geht die Sonne über den Elbhängen von Radebeul auf – blicken wir nach links, geht sie rotleuchtend über einem leerstehenden, von der Natur zurück eroberten und modrig riechenden VEB Hotelkomplex voller Erinnerungen, unter.
Was ich damit sagen will: ich habe während des Schreibens dieses kleinen Blogbeitrages über das Eingangsstatement nachgedacht – und nein, ich hadere nicht. Dafür ist das Leben einfach zu schön !
Die Reise wird starten, wenn der richtige Zeitpunkt dafür ist – auch das habe ich gelernt anzunehmen. Bis dahin kläre ich weiter fleissig persönliche Beziehungen und Befindlichkeiten, nehme wahr, wie es mir immer schwerer fällt, mit Menschen umzugehen, die nur eine geringe Aufmerksamkeitsspanne und ein noch geringeres Empathieempfinden haben, gedankenlos vor sich hinplaudern, entmächtigen oder agieren und mit einer fröhlichen Naivität und Egozentrik lässig verletzen, übergriffig die eigenen Erwartungshaltungen projizieren und einem dann genervt den Frust übers eigene Missmanagement vor die Füße schütten – mit der Anforderung doch bitte wegzukehren. Menschen, die so dermaßen unbekümmert mit Fragen an einen herantreten, die bereits vor Ablehnung, Klischee und Lauerhaltung strotzen, daß es mich energetisch überfordert mit solch Anmaßung umzugehen. Und ich frage mich bei solchen Sätzen natürlich, ob ich mich gerade durch die in mein Leben getretene Ruhe gegenüber Vielem sensibilisiere oder ob ich mich eher zurückentwickle, egoistischer werde und verhärte. Nun, auch mit diesem Thema bin ich noch auf innerer Reise und versuche, es heraus- bzw. ggf. die Balance zu finden. Hier helfen Gespräche mit Freunden, Podcasts von Veit Lindau und ab und an mal ein schönes Stück Torte.
Bleibt geduldig und gespannt ! Ich berichte weiter
Bis dahin stelle ich zwei Fragen:
- Hattest Du schon einmal einen Schlaf-Traum, der Dich über Monate oder gar Jahre immer wieder begleitet und sich über diese Zeit weiterentwickelt oder gar am Ende auflöst ?
- Wenn man Dich nach Deinem Leben fragt, wie würdest Du es in einem Satz zusammenfassen ?
Warum genau diese zwei Fragen gestellt werden, löse ich im nächsten Beitrag auf.






